Welthits auf Hessisch
26/08/2020Dietrich Faber
30/08/2020Wann ist das Streuobst erntereif?
(15. August 2020, GS) Infolge des Klimawandels haben sich Blüh- und entsprechend auch Erntetermine unserer Obstarten gegenüber älteren Literaturangaben weit nach vorne verschoben. In vielen Fällen wird die Pflückreife bereits im August statt im September einsetzen. Ein optimaler Erntetermin ist vor allem beim direkten Genuss vom Baum bzw. nach kurzzeitiger Lagerung wesentlich für den Geschmack, sollte aber auch bei der Verwendung als Kelterobst angestrebt werden.
Ernte von Äpfeln
Bei zu später Ernte von Äpfeln kommt es zu einem starken Fruchtfall, und die Früchte sind mürbe und wenig haltbar. Dagegen schmecken zu früh geerntete Äpfel infolge ihres noch zu hohen Stärkegehaltes grasig und sauer; es fehlt am sortentypischen Aroma und das Fruchtfleisch ist zäh. Der Geschmack kann allerdings nur begrenzt zur Beurteilung der Erntereife herangezogen werden, da viele Herbstsorten nicht direkt vom Baum genussreif sind, sondern erst nach zwei bis vier Wochen Lagerung ihr sortentypisches Aroma entwickeln. Welche anderen Kriterien helfen uns, den richtigen Erntetermin zu bestimmen?
- Der Farbumschlag der Grundfarbe des Apfels von Grün nach Gelbgrün oder Gelb ist ein wichtiges Reifekriterium. Die orangerote oder rote Deckfarbe wird dagegen in erster Linie durch kühle Nächte im Spätsommer gefördert. In einem warmen Spätsommer mit milden Nächten bleiben die Früchte blass und verleiten uns zu einer zu späten Ernte. Da Äpfel bei der Lagerung zwar nachreifen, aber nicht nachfärben, wünschen wir uns natürlich eine stark ausgeprägte Deckfarbe.
- Der vorzeitige Fruchtfall ist kein sicheres Anzeichen für die Reife der Äpfel. In starken Behangsjahren drücken sich zu eng stehende Früchte gegenseitig ab - vor allem kurzstielige Apfelsorten sind gefährdet. Einige Sorten gelten zudem als sehr windanfällig (z.B. `Freiherr von Berlepsch´, `Goldrenette von Blenheim´, `Goldparmäne´, `Gravensteiner´, `James Grieve´ und `Klarapfel´).
- Am besten gibt uns die Stiellöslichkeit Aufschluss über die Erntereife („Kipp-Probe“):
Wenn Sie die Apfelfrucht um 90 Grad anheben und leicht drehen, sollte sich der Stiel problemlos lösen. Wird dagegen ein Stück Rinde mit abgerissen, wurde zu früh geerntet. - Das Fruchtfleisch reifer Äpfel darf keinen grünlichen Schimmer mehr zeigen. Dagegen gibt die Farbe der Apfelkerne nicht zuverlässig Aufschluss über die Reife der Frucht. Bei Spätsorten färben sich die Kerne oft vorzeitig braun, während sie bei Sommeräpfeln meist weiß bleiben.
- Eindeutige Kriterien zur Bestimmung des optimalen Erntetermins sind Fruchtfleischfestigkeit und Stärkegehalt der Früchte. Die Messungen mithilfe von Penetrometer, Refraktometer sowie der Lugol´schen Lösung (Jod-Stärke-Test) sind aber im Streuobstanbau eher zu aufwändig.
Auch bei der Ernte selbst ist einiges zu beachten:
- bei kühler Witterung bzw. morgens ernten
- nur trockene Früchte ernten
- am besten 2-3 Mal durchpflücken, da nie alle Früchte gleichzeitig ausreifen
- Schattenfrüchte zuletzt ernten (dennoch oft fade im Geschmack und am besten für die Verarbeitung geeignet)
- mit Stiel ernten und Verletzungen der Früchte (Fruchtstiele, Fingernägel) vermeiden
Für eine längere Lagerung eignen sich nur gesunde Äpfel ohne Beschädigungen. Von Vorteil ist ein Lagerraum mit einer Temperatur von + 1 bis 3° C, einer höheren Luftfeuchtigkeit und ausreichenden Belüftung. Angefaulte Früchte müssen regelmäßig entfernt werden. Alternativ zur Einlagerung in Kisten können Äpfel auch portionsweise in gelochten Kunststoffbeuteln aufbewahrt werden. Bekanntlich dürfen Gemüse und Kartoffeln nicht zusammen mit Obst gelagert werden - mit Ausnahme grüner Tomaten, die durch das vom Obst gebildete Ethylen noch nachreifen sollen.
Ernte von Birnen, Quitten, Pflaumen und Zwetschen
Bei Birnen werden vor allem Frühsorten wie `Williams Christ´ oft zu spät geerntet. Das Fruchtfleisch um das Kerngehäuse färbt sich dann bald braun, und die Früchte schmecken oft wie parfümiert. Bei optimaler Pflückreife fühlen sich die Birnen noch mittelfest bis hart an. Die Fruchtschale ist noch nicht gelb gefärbt, sondern hat sich von grün nach gelbgrün aufgehellt. Die meisten Sorten entwickeln keine oder nur wenig rote Deckfarbe. Die Frucht sollte bei der Ernte bereits süßlich schmecken, aber das sortentypische Aroma noch nicht vollständig entwickelt haben. Da Birnen viel leichter Druckstellen bekommen als Äpfel, sind sie beim Pflücken sehr sorgfältig zu behandeln.
Reife Quitten erkennen wir an der guten Löslichkeit der Frucht bei der „Kipp-Probe“ (vergleiche Apfel). Außerdem färbt sich die Fruchtschale mit zunehmender Ausreife hell- oder sogar goldgelb und der Flaum auf der Schale verschwindet weitgehend. Quitten werden gerne absichtlich spät geerntet, damit die herben Früchte einen höheren Zuckergehalt aufweisen und weicher werden. Als Folge stellt sich allerdings oft die Fleischbräune ein, eine Stoffwechselstörung, die das feine Quittenaroma bei der Verarbeitung beeinträchtigt.
Zwetschen und Pflaumen reifen insbesondere in Jahren mit starkem Behang sehr uneinheitlich. Daher sind mehrere Pflückgänge im Abstand von etwa einer Woche erforderlich. Bei reifen Früchten stimmt die sortentypische Ausfärbung, und die Früchte geben auf Daumendruck leicht nach. Fühlt sich die Frucht allerdings nicht elastisch, sondern weich an, findet sich im Innern meist die Larve des Pflaumenwicklers! Schmecken die Früchte noch zu sauer und fehlt das Aroma, muss mit der Ernte noch gewartet werden, da bei der kurzzeitigen Lagerung nur noch eine sehr geringe Nachreife stattfindet. Bei reifen Zwetschen löst sich der Stein gut vom Fruchtfleisch (bei Pflaumen und Renekloden keine oder nur geringe Steinlöslichkeit). Für eine bessere Haltbarkeit ist entscheidend, dass die Früchte schonend und mit Stiel geerntet werden.
Keinesfalls sollten geplatzte Früchte oder solche mit bereits sichtbarer Monilia-Fruchtfäule am Baum hängen bleiben, da im Folgejahr von den Fruchtmumien Infektionsgefahr ausgeht. Sie können aber problemlos kompostiert werden. Dies gilt übrigens auch für alle anderen Obstarten mit Fruchtfäulen.
Fruchtmonilia u.a. Fruchtfäuleerreger
Fruchtfäulen beim Kern- und Steinobst werden durch verschiedene pilzliche Erreger verursacht, die vor allem in hängen gebliebenen Fruchtmumien überwintern und bei nasser Witterung die Obstblüte infizieren. Daher sollten gefaulte Früchte keinesfalls am Baum hängen bleiben; sie können aber problemlos kompostiert werden. Nach der Blüte bleiben die Erreger in der jungen Frucht latent vorhanden und entwickeln sich erst mit steigendem Zuckergehalt weiter, d.h. ca. drei Wochen vor der Ernte.
Auch Verletzungen der Fruchtschale, z.B. durch Hagel, Vogelfraß oder Insekten, führen oft zur Fäulnis. Insofern bleibt zu hoffen, dass unsere Obstbäume in der letzten Phase vor der Ernte von starken Gewittern mit Hagelschlag verschont bleiben!
Angefaulte Früchte sollten nicht zum Keltern verwendet werden, da sich in den Faulstellen Patulin bildet, ein giftiges Stoffwechselprodukt von Schimmelpilzen. Dieser Giftstoff zeigt sich bei kurzer Hitzebehandlung (Pasteurisieren) von Fruchtsäften stabil, wird aber beim Vergären, Destillieren ebenso wie beim Schwefeln zerstört. Daher sind Edelbrände patulinfrei. Beim Apfel verteilt sich der Stoff nur maximal 1 cm weit um die schadhafte Stelle; daher reicht es, kleine Faulstellen vor einem Verzehr großzügig auszuschneiden. Dagegen kann sich Patulin bei weichen, wasserreichen Früchten wie Kirschen, Pflaumen oder Tafeltrauben rasch in der ganzen Frucht ausbreiten.
Erstellt im Auftrag des Streuobstzentrums Kirschberghütte Bad Vilbel e. V.