Wingert-Report 2021 Nr.8
10/04/2021Land Art Kunstprojekt Blickwechsel Bad Vilbel
08/06/2021Apfelbaumgespinstmotte – die Bekämpfung gestaltet sich schwierig
(15. Mai 2021, GS) Die Mitte April durchgeführten Kontrollen auf Eigelege der Apfelbaumgespinstmotte (Yponomeuta malinellus) deuteten auf einen mäßigen Befall hin, der stellenweise aber doch bekämpfungswürdig erschien. Erneute Beobachtungen zum Ende des Monats April zeigten jedoch einen starken bis sehr starken Befall in Form von Blattminen am jungen Austrieb. Wie kam es zu dieser Fehleinschätzung?
Während sich die frischen Eigelege des Schädlings im August des Vorjahres noch etwas deutlicher von der Rinde abheben, sind sie am Ende des Winters farblich bestens getarnt und nur schwer zu erkennen. Auch die im Wingert-Report Nr. 8 beschriebene Flechtenbildung an den Zweigen erschwert das Auffinden der nur 3-5 mm kleinen Gelege.
Eigelege der Apfelbaumgespinstmotte
Die Eiablage erfolgt bereits im Juli/August auf der Rinde ein- bis zweijähriger Triebe. Die Gelege sind dachziegelförmig angeordnet und von einer schützenden Sekretschicht bedeckt. Dieses Sekret ist anfangs hellgelb und dunkelt im Laufe der Zeit in der Farbe der Rinde nach. Der Schlupf der jeweils 40-80 Larven erfolgt nach etwa vier Wochen, also bereits im September. Sie überwintern ohne Nahrungsaufnahme unter der Sekretschicht, wo sie auch tiefe Fröste wie im Februar 2021 überstehen.
Gegen Mitte April verlassen die Räupchen die Gelege, wandern zu den Triebspitzen und bohren sich in die Knospen ein. An den Rändern der sich entfaltenden Blättchen entstehen sogenannte Platzminen. Im Innen fressen jeweils ca. 15-30 der jungen, zunächst nur 1-3 mm großen Larven (vergleiche auch Wingert-Report Nr. 1 vom 20.04.2020 sowie Nr. 3 vom 19.06.2020).
Sobald die Räupchen die Minen verlassen, um gemeinschaftlich erste Gespinste zu bilden, ist der optimale Zeitpunkt für die Bekämpfung gekommen. In den meisten Jahren liegt dieser Zeitraum in der ersten Maiwoche, lediglich im witterungsbedingt sehr zeitigen Frühjahr 2020 begann das Verlassen der Blattminen bereits ab dem 20. April. Dagegen haben sich die Raupen in diesem Frühjahr ordentlich Zeit gelassen – erst die hohen Temperaturen von bis zu 28° C am Sonntag, den 9. Mai, veranlassten sie zum Schlupf aus den Blattminen. Das Zeitfenster für die Bekämpfung ist nur kurz, da die Gespinste schnell anwachsen und bereits ab Größe eines Tischtennisballs mit erheblichen Minderwirkungen zu rechnen ist. Als Bekämpfungsmittel der Wahl kommen auf Streuobstwiesen nur Bacillus-thuringiensis-Präparate wie z.B. XenTari in Frage. Diese biologischen Schädlingsbekämpfungsmittel haben keine Kontaktwirkung, sondern müssen von den Raupen beim Fraß aufgenommen werden (siehe auch Wingert-Report Nr. 1 vom 20.04.2020). Die Wirkung hält maximal 8 Tage lang an, da das Bakterium innerhalb dieser Zeitspanne vom UV-Licht abgebaut wird.
Die exakte Terminierung der Applikation erweist sich in der Praxis oftmals als schwierig:
- Keine Spritzmaßnahmen an Wochenenden und Feiertagen, wenn die Wingerte als Naherholungsgebiet stark frequentiert werden
- Keine Niederschläge im Anschluss an die Spritzung, da die Beläge vom Regen abgewaschen werden
- Temperaturen von mindestens 15°, besser 18° C über mehrere Tage erforderlich, damit die Raupen genug von den benetzten Blättern fressen
Auch wenn sich wahrscheinlich eine Bekämpfungslücke finden wird, zeigen die Erfahrungen aus früheren Jahren, dass suboptimale Temperaturen im Anschluss an die Maßnahme den Erfolg erheblich mindern. Die Wetterprognose vom 11. Mai 2021 ist leider im Hinblick auf die Bekämpfung der Apfelbaumgespinstmotte sehr ungünstig: dem ungewöhnlich kühlen, aber trockenen April soll ein Mai folgen, der kühles „Schmuddelwetter“ bringt. Mit Starkregen sowie Gewitter inklusive Sturmböen und Hagel muss gerechnet werden, wobei die nasse Großwetterlage ganz Deutschland betreffen wird. Diese Aussichten sind natürlich vorteilhaft hinsichtlich der Wasserversorgung der Obstbäume und der Natur generell. Aller Voraussicht nach werden wir aber mit stärkeren Fraßschäden durch den Schädling rechnen müssen. Wiederholungsspritzungen mit XenTari sind für die Gemeinschaftsaktion wohl zu teuer und aufwändig, aber auch die Baumbesitzer selbst werden bei ungewissen Erfolgsaussichten aufgrund unbeständiger Witterung wohl eher von eigenen Maßnahmen absehen.
Wie ginge es ohne ausreichenden Bekämpfungserfolg weiter?
Ein Entfernen der Befallsnester von Hand ist – nicht nur bei Hochstämmen – illusorisch. Nur bei jüngeren Bäumen ist dieser enorme zeitliche Aufwand vertretbar. Die Gespinste sollten dann nicht mit der Schere herausgeschnitten, sondern die innerhalb des Gespinstes zusammengeballt sitzenden Räupchen von Hand herausgezogen werden. Am besten legt man sie zur Freude der Singvögel in einigen Metern Abstand zu allen Apfelbäumen ab. Dagegen missachtet man beim Herausschneiden der Gespinste meist alle Regeln zum fachgerechten Schnitt der Obstbäume, indem man beispielsweise Jahrestriebe anschneidet.
Die Raupen verursachen, geschützt in zunehmend größeren Gespinsten, einen Skelettierfraß des Laubes. Schlimmstenfalls entsteht ein vollständiger Blattverlust bzw. Kahlfraß und damit verbunden auch ein weitgehender Ertragsausfall. Die Apfelbäume treiben zwar mit dem Johannistrieb im Juni erneut aus, werden aber – insbesondere bei mehreren aufeinanderfolgenden Befallsjahren – erheblich geschwächt.
Die ausgewachsenen Raupen erreichen eine Körperlänge von 15-22 mm, sind gelb-grau gefärbt mit schwarzen Punkten und schwarzem Kopf und besitzen glücklicherweise keine Brennhaare.
Bei Störungen seilen sie sich an starken Gespinstfäden Richtung Boden ab. Die silbrigen Gespinste können zuletzt Leitäste und Stämme der Apfelbäume flächig einhüllen.
Nach mehreren Wochen Fraßtätigkeit erfolgt im Juni die Verpuppung in festen, weißen Kokons, die innerhalb der Gespinste auffällig parallel angeordnet sind. Nach 2-3 Wochen Puppenruhe schlüpfen die Mottenfalter. Sie sind etwa 1 cm lang und durch silbrig-weiße Vorderflügel mit schwarzen Punkten gekennzeichnet.
Die Apfelbaumgespinstmotte befällt übrigens ausschließlich Apfelbäume. Bei verschiedenen Gehölzen in der Landschaft wie Weißdorn, Schlehe, Spindelbaum und Traubenkirschen können zwar vergleichbare Schäden auftreten, diese werden aber durch andere Gespinstmottenarten verursacht.