Wingert-Report 2020 Nr.5
09/10/2020Wingert-Report 2020 Nr.7
28/11/2020Herbstzeit ist Pflanzzeit
(19. November 2020, GS) Auf vielen Streuobstwiesen ist der Baumbestand überaltert, leider auch im Raum Bad Vilbel. Der Spätherbst ist der günstigste Zeitraum, um junge Hochstämme nachzupflanzen. Am Standort ist nach Möglichkeit ein Wechsel zwischen Kern- und Steinobst vorzunehmen, z.B. Apfel nach Kirsche oder Zwetsche nach Apfel. Wegen der Gefahr von Bodenmüdigkeit bzw. bodenbürtigen Krankheiten und Schädlingen sollte der junge Baum niemals unmittelbar neben gerodeten Altbäumen gesetzt werden. Wählen Sie die Pflanzabstände nicht zu eng: Ausreichend sind 10 Meter zu Nachbarbäumen und 5 Meter zu Wegen und der Grundstücksgrenze. Auch bei alten „Baumtorsos“, die für Höhlenbrüter stehen bleiben, reichen 5 Meter Abstand aus.
Obstbäume werden in der Baumschule als Containerware oder „wurzelnackt“ angeboten. Containerware wird gerne bei schwachwüchsigen Obstbäumen für den Haus- und Kleingarten verwendet; sie ist teurer und kann im Prinzip ganzjährig gepflanzt werden. Für Streuobstwiesen eignen sich eher wurzelnackte, zweijährige Veredelungen auf Sämlingsunterlagen. Pflanzen kann man von Ende Oktober bis März, die beste Pflanzzeit für wurzelnackte Gehölze ist aber der Herbst. Durch die Winterniederschläge wird den Bäumen das Einwurzeln am neuen Standort erheblich erleichtert.
Beim Kauf sollte unbedingt auf die Qualität der jungen Bäume geachtet werden: Auf dem Etikett müssen immer Sorte und Wurzelunterlage angegeben sein (beispielsweise `Geheimrat Oldenburg´ auf `Bittenfelder Sämling´). Die Veredlungsstelle sollte gut verwachsen sein. Bei Hochstämmen beginnt die Verzweigung in 1,8 Meter Höhe; die Krone des jungen Baumes sollte mindestens 4 kräftige, einjährige Triebe aufweisen. Wünschenswert ist ein gerader Stamm, der in 1 Meter Höhe mindestens 7 cm Umfang aufweist und frei von größeren Verletzungen oder Befall durch Obstbaumkrebs ist (eingesunkene, dunklere Rindenpartien).
Es lohnt auch, sich die Wurzeln genauer anzuschauen. Sind Knollen oder Knötchen an Wurzeln oder gar Wurzelhals zu erkennen, handelt es sich um eine bakterielle Krankheit, den Wurzelkropf (verursacht durch Agrobacterium tumefaciens). Infizierte Bäume zeigen bald Kümmerwuchs, das Pflanzloch ist für lange Jahre verseucht. Wurde versehentlich solche Ware gekauft, ist umgehend bei der Baumschule zu reklamieren. Der Wurzelkropf gehört zu den gelisteten Schaderregern, von denen Anbaumaterial frei sein muss (Verordnung über das Inverkehrbringen von Anbaumaterial von Gemüse-, Obst- und Zierpflanzenarten, kurz AGOZV).
Transportschäden vermeiden
Nach dem Kauf dürfen die Wurzeln der Gehölze zu keinem Zeitpunkt austrocknen. Bereits beim Transport empfiehlt es sich, die Wurzeln mit einem nassen Jutesack o.ä. zu bedecken. Hochstämme ragen aufgrund ihrer Länge oft über die Ladekante des Kofferraums bzw. Anhängers hinaus. Die Auflagestelle sollte gepolstert werden, um eine Quetschung des Kambiums (wasser- und nährstoffführende Schicht unter der Rinde) zu vermeiden. Solche Schäden sind äußerlich meist nicht sichtbar, führen aber später zu einem einseitigen Zurücktrocknen der Baumkrone. Wird nicht sofort gepflanzt, müssen die Gehölze an einem schattigen Ort in den Einschlag. Die Wurzeln können vor der endgültigen Pflanzung auch für einige Stunden in Wasser gestellt werden.
Vor dem Pflanzen werden zu lange und beschädigte Hauptwurzeln (keinesfalls die feinen Faserwurzeln) mit einer scharfen Baumschere eingekürzt.
Pflanzgrube ausheben
Nun wird bei frostfreiem Boden eine Pflanzgrube angelegt, die ca. 80 x 80 cm breit und mindestens 50 cm tief sein sollte. Zunächst stechen wir die Grassoden aus und legen sie zur Seite. Sie werden nicht zum Verfüllen des Pflanzlochs benötigt, können aber später zum Formen eines Gießwalls um die Baumscheibe verwendet werden. Danach heben wir mit Hilfe von Spaten und Schaufel Ober- und Unterboden aus lagern sie jeweils getrennt. Die Grubensohle ist spatentief zu lockern.
Auf den Bildern erkennt man deutlich die unterschiedliche Färbung des humusreichen, dunklen Oberbodens und des helleren Unterbodens.
Wühlmauskorb einsetzen
Die Schermaus oder Große Wühlmaus frisst in den Wintermonaten gerne an den Wurzeln von Obstbäumen. Bald nach dem Austrieb im Folgejahr zeigen sich Schäden an den jungen Bäumen: Blattknospen und Blütenbüschel trocknen ein, die Bäume sitzen locker oder lassen sich sogar aus dem Boden ziehen, alle feinen Faserwurzeln sind abgefressen (siehe Foto). Daher ist das Auskleiden der Pflanzgrube mit einem Wühlmauskorb dringend anzuraten. Der Fachhandel bietet vorgeformte Körbe aus verzinktem Maschendraht an (Sechseckgeflecht bei einer Maschenweite von 13 mm). Unverzinkter Maschendraht ist nur auf leichten, sandigen Böden zu empfehlen, da er sich in lehmiger Erde zu schnell zersetzt. Für Hochstämme benötigen wir Körbe mit den Maßen 90 cm im Durchmesser und 90 cm Höhe. Nach dem Auseinanderfalten des Korbes im Pflanzloch wird zum Stabilisieren etwas Erde eingefüllt.
Einschlagen des Baumpfahls:
Unmittelbar außerhalb des Wühlmauskorbes wird nun ein Stützpfahl von 2,20-2,50 Meter Länge und 8 cm Durchmesser in den Boden geschlagen. Der Abstand zum Baum sollte später etwa 20 cm betragen. Er wird so ausgerichtet, dass er an der Wetterseite des Baumes steht, so dass dieser vom Pfahl weggedrückt wird. Zum Einschlagen eignet sich am besten eine Pfahlramme (10-15 kg schweres Eisenrohr mit 2 Griffen; siehe Fotos). Alternativ arbeitet man von einer Leiter aus mit dem Vorschlaghammer.
Während Obstbäume auf schwachswachsenden Unterlagen zeitlebens auf einen Stützpfahl angewiesen sind, kann dieser bei Hochstämmen schon nach ein paar Jahren wieder entfernt werden.
Baum setzen und Erde einfüllen
Der Grund des Pflanzlochs wird nun mit Erde bedeckt und der Baum so eingestellt, dass er später in der gleichen Höhe wie zuvor in der Baumschule bzw. im Container steht. Bedenken Sie dabei, dass der tiefgründig gelockerte Boden sich im Laufe der Zeit noch absetzt. Die Veredlungsstelle muss sich ca. 10 cm über der Erdoberfläche befinden, damit sich die aufveredelte Sorte nicht bewurzeln kann. Beim Einfüllen der Erde ist bei humusarmen Böden eine Anreicherung mit Kompost oder organischem Dünger empfehlenswert. Zuletzt die Erde leicht antreten (aber nicht „einbetonieren“), den Wühlmauskorb oben verschließen und mit einer dünnen Schicht Erde abdecken.
Anbinden und Verbissschutz anbringen
Das Anbinden des Baumes an den Stützpfahl kann mit einem ca. 1,5 Meter langen, doppelt gelegten Kokosfaserstrick erfolgen. Bewährt hat sich eine Achterschlinge. Die Verbindung muss sehr stabil sein, damit der Baum bei Sturm nicht am Pfosten scheuern kann und nicht so stark schwankt, dass Feinwurzeln im Boden abreißen.
Als Verbissschutz werden heute bevorzugt Drahthosen verwendet. Diese sind sehr viel besser luftdurchlässig als Kunststoffmanschetten mit Löchern, bei denen der Stamm im Winter nicht abtrocknet und in den Sommermonaten Hitzeschäden an der Rinde entstehen können. Für die Drahthosen findet Hasendraht Verwendung (Sechseckgeflecht mit Maschenweite von 16 mm), pro Baum wird ein Stück von ca. 100 x 50 cm benötigt. In den Folgejahren sollte regelmäßig kontrolliert werden, dass der Draht nicht an der Rinde scheuert oder gar einwächst, da solche Verletzungen Eintrittspforten für diverse Obstbaumkrankheiten sind.
Gießwall anlegen
Zuletzt legen wir einen Gießrand unter Verwendung der ausgestochenen Grassoden an und wässern gründlich, um Erde in die Hohlräume im Wurzelbereich zu spülen. Bei sehr trockenem Boden werden bis zu 25 Liter Wasser pro Pflanzstelle benötigt! Anschließend immer intervallweise wässern und wieder rücktrocknen lassen, da dies die Wurzelbildung fördert.
Die Baumscheibe innerhalb des Gießwalls ist ca. 5 Jahre lang durch regelmäßiges Hacken und Jäten frei zu halten, um die Nährstoff-, vor allem aber Wasserkonkurrenz, durch Gräser und Wildkräuter zu unterbinden. Außerdem fühlt sich auch die Wühlmaus unter dem offenen Boden nicht wohl; sie bevorzugt eine geschlossene Pflanzendecke oder Mulchschicht.
Pflanzschnitt
Vergessen Sie nicht den Pflanzschnitt bei wurzelnackten Obstbäumen: Da das Gehölz beim Roden in der Baumschule mindestens ein Drittel seiner Wurzeln verloren hat, können es die verbliebenen Wurzeln im Jahr nach der Pflanzung nicht ausreichend mit Wasser versorgen. Damit es nicht partiell zurücktrocknet, sollte daher ein kräftiger Pflanzschnitt durchgeführt werden. Am besten erfolgt dies bereits unmittelbar nach der Pflanzung, weil Schnittmaßnahmen im Herbst das Triebwachstum anregen und der junge Baum ja zunächst ein Kronengerüst aufbauen soll. Legen Sie die Maßnahme möglichst in eine trockene Witterungsphase, da Schnittwunden jetzt schlechter verheilen und Krankheitserreger leichter eindringen können als gegen Ende des Winters.
Wählen Sie zunächst einen der mittig wachsenden Triebe als Stammverlängerung aus und entfernen die Konkurrenztriebe. Für den Kronenaufbau benötigen Sie 3-4 etwa gleich starke Leitäste, die gleichmäßig um den Stamm herum verteilt sein und nicht auf gleicher Höhe am Stamm ansetzen sollten. Überzählige Triebe werden entfernt (siehe Fotos, vor und nach dem Pflanzschnitt).
Sehr wichtig ist auch das Formieren der Leitäste. Optimal ist ein Ansatzwinkel von 45 bis 90 Grad am Stamm. Zu steil stehende, sog. Schlitzäste brechen später leicht aus und müssen mit einem Spreizholz abgespreizt werden. Spreizhölzer kann man leicht selbst herstellen, indem man Triebabschnitte von Schnittholz (2-3-jähriges Holz) auf einer Seite anschrägt und auf der anderen gabelförmig einkerbt. Steht dagegen ein Leitast zu flach, kann er mit einer Schnur hochgebunden werden. Zuletzt erfolgt ein Einkürzen der Leitäste auf zwei Drittel bis die Hälfte der ursprünglichen Länge, wobei alle auf gleicher Höhe enden sollten („Saftwaage“). Häufig stehen beim Kauf des jungen Hochstamms alle Äste sehr steil; daher sollte nach dem Anschneiden der Leitäste die Abschlussknospe nach außen zeigen. Darüber hinaus empfiehlt sich das Ausbrechen der letzten 3-5 Knospen auf der Innenseite unterhalb der Endknospe, um deren Austreiben zu verhindern. Abschließend wird auch die Stammverlängerung angeschnitten; sie sollte etwa eine Handbreit oberhalb der Leitäste enden.
Weideschutz aufbauen
Um die jungen Bäume vor Fegeschäden durch Rehböcke und Schäden durch Beweidung zu schützen, reicht das Anbringen einer Drahthose nicht immer aus. Wirksamer ist ein massiver Verbissschutz, bei dem drei oder vier Pfosten im Abstand von 1,5 Metern um den Baum eingeschlagen und mit Querlatten verstrebt werden (Drei- oder Vier-Bock). Am Boden sollte zur Pflege der Baumscheibe ein Freiraum von mindestens 20 cm verbleiben.
Erstellt im Auftrag des Streuobstzentrums Kirschberghütte Bad Vilbel e.V.